BOhisto, ein Wissenschaftsprojekt des Stadtarchivs Bozen

03.11.2016 | e-Business

Das Stadtarchiv Bozen macht Dutzende von historisch bedeutsamen Ratsprotokollen – das Herzstück der in schriftlicher Form überlieferten städtischen Geschichte – frei zugänglich. Die bisher digitalisierten Handschriften beginnen im Jahr 1470 und reichen herauf bis in die Zeit um 1700. Das Projekt möchte das kulturelle Erbe der Südtiroler Landeshauptstadt nachhaltig sichern, dieses als Wissensbasis für die Forschung bereitstellen und als Teil der europäischen Geschichtskultur nachhaltig vergegenwärtigen. Das System basiert auf dem Dokumentenmanagement-Know-How und der ecommerce engine “db/portal” der Firma Alpin. Die leistungsfähige Plattform sichert die Verwaltung und Archivierung der historischen Dokumente. Ein System zur Konvertierung der Digitalisate stellt aus den hochauflösenden Scann-Dateien automatisch die für die verschiedenen Webauflösungen notwendigen Versionen bereit. In Echtzeit können auch PDF Dateien erzeugt und einzelne oder Gruppen von Seiten in einem Download überführt werden.

Mit diesem Projekt hat die Stadt Bozen als erste Kommune der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ihre historischen Ratsprotokolle barrierefrei verfügbar gemacht.

Das Onlineangebot des Bozner Stadtarchivs hat die Universität Pisa bereits zum Urteil bewogen, es handle sich hier um ein “Good-Practice-Beispiel im Archivbereich”. Die Europäische Union wird das BOhisto-Vorhaben – in Anerkennung seines Open-Data-Ansatzes – in sein Forschungsprogramm “TranScriptorium” (EU-Cultural Heritage) aufnehmen, an dem sechs europäische Universitäten teilnehmen.

Für weitere Detailinformationen:

http://stadtarchiv-archiviostorico.gemeinde.bozen.it
http://www.gemeinde.bozen.it/stadtarchiv
http://filstoria.hypotheses.org/10079
http://transcriptorium.eu/

 

Bozens Ratsprotokolle im Überblick

Die Digitalisierung der Ratsprotokolle will dazu beitragen, einzigartige Quellen für unser Wissen über die “verlorenen Lebenswelten” von Bozens Vergangenheit benutzerfreundlich, frei und dauerhaft zugänglich zu machen.

Seit dem 15. Jahrhundert ist für die inneralpine Territorialstadt Bozen ein eigener Stadtrat, also ein kommunales Organ politischer Willensbildung, nachgewiesen. Von den habsburgischen Landesherren eingesetzt und mit einem Privileg König Friedrichs III. von 1442 zusätzlich aufgewertet, fasste der Rat bei seinen periodischen Sitzungen im Rathaus jene Beschlüsse, die nahezu alle Materien des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens der Stadt regelten. Die in Buchform überlieferten Ratsbeschlüsse – in den Quellen auch “Ratschlagbücher” genannt – gehören darum zum Kernstück dessen, was wir über Bozens Vergangenheit wissen.

Die deutliche Aufwertung der städtischen Verwaltungshoheit erfolgte insbesondere in der Regierungszeit Herzog Sigmunds von Österreich-Tirol (1439/46-1490). Vor dem Hintergrund eines alle städtischen Bereiche erfassenden Innovations- und Modernisierungsschubs kam es zu erhöhter Normenproduktion und zu einem deutlichen Anwachsen kommunaler Schriftlichkeit. Neben einer eigenen Stadtrechtskodifikation von 1437, einem Amts- und Privilegienbuch (dem sogenannten “Stadtbuch”) von 1472-1525 sowie dem Bezug eines eigenen Rathauses im Jahre 1455 sind die seit 1469/70 vorliegenden Ratsprotokolle die wichtigsten Indikatoren für die Entfaltung pragmatischer Schriftgutproduktion, normativer Zentrierung und kultureller Organisation.

Als serielle Quellen sind die Ratsprotokolle, zugleich mit den parallel einsetzenden Bürgermeisteramtsrechnungen, Ausdruck einer stärkeren Professionalisierung und Bürokratisierung der Verwaltungstätigkeit. In den Handschriften sind, nach Geschäftsjahren geordnet und unter dem Datum der Sitzungen, die Beratungen und Beschlüsse des jeweils amtierenden Bozner Stadtrats überliefert. Dieser verfolgte die Aufgabe, durch herrschaftliche Verfügungen gewerblicher, polizeilicher oder finanzieller Art für das Funktionieren des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Gemeinwesens zu sorgen. Neben diesen detailreichen Niederschriften der öffentlichen Verwaltung enthalten die Protokolle auch sehr informative Listen der Ratsherren, geordnet nach den jeweiligen Gerichtsbezirken der Stadt, sowie in aller Regel eine Auflistung der städtischen Ämter, die innerhalb eng umschriebener Personenkreise vergeben wurden.

Die selbständige Politik des Rates war durch die Obrigkeit der habsburgischen Landesherren, insbesondere durch die Strafgerichtsbarkeit des Landrichters von Gries-Bozen, beeinträchtigt. Gegenüber diesen Herrschaftsträgern vertrat der Rat die Stadtbewohner “nach oben”, übte gleichzeitig aber auch Herrschaft “nach unten” aus und war damit in eine spannungs- und aufschlussreiche Doppelbindung hineingestellt.

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